
Abb. 2: gebrochene Schaumweinflasche
– Hauptbruchstücke
Durch die konstruktive Gestaltung
und Ausführung der Glasflasche sowie
durch das Aussortieren von Flaschen
mit sichtbarem Verschleiß lässt sich die
Anzahl der im Markt brechenden Glas-flaschen
und damit die Zahl der Ver-letzten
reduzieren. Kosten und Mar-ketingvorstellungen
konkurrieren hier
mit der Sicherheit. Einfache Vorsichts-maßnahmen
könnten Konsumenten
leicht umsetzen, jedoch müssten sie
dafür sensibilisiert werden. Der Mar-keninhaber
der seine Kundschaft als
Erster darüber informiert, wie man mit
der potenziellen Gefahr einer brechen-den
Glasflasche umgehen sollte, um
ein Bersten möglichst zu verhindern
oder die Schwere der Folgen abzumil-dern,
wird entweder als Vorreiter gelobt
oder durch einbrechende Verkaufszah-len
bestraft werden.
Einfache zu kommunizierende Regeln
wären z. B.: Hohe Temperatur + hoher
CO2-Gehalt = „erleichtert“ Glasbruch,
deshalb sollte man die Kiste Mineralwas-ser,
die im Kofferraum 50°C angenom-men
hat, vorsichtig transportieren und
nicht mit Schwung auf dem Boden des
Vorratsraums abstellen. Insbesondere
wenn die Kiste abgesetzt wird, ist es rat-sam,
den Kopf zur Seite zu drehen, denn
eine Schnittverletzung in der Wange ist
besser als eine im Auge? Ein (altes Hand-)
Tuch, das auf der Kiste liegt, kann den
Flug der Splitter einer brechenden Glas-flasche
weitgehend verhindern. Wenn
im Restaurant eine (Schaum-)Weinfla-sche
geöffnet wird, befindet sich eine
Servierte um den Flaschenhals, nicht
nur, weil dies schicker oder hygienischer
aussieht, sondern auch, um sich im Falle
Abb. 3: Kratzer auf der Mündung
(passend zum Hebel des Kellnermessers)
eines Glasbruchs vor Schnittverletzun-gen
zu schützen.
Produkthaftung
Nach §1 Abs. 2 Produkthaftungsgesetz
würde die Herstellerin in sehr vielen Scha-densfällen
nicht haften. Darüber hinaus
wird ein Eigenverschulden von Geschä-digten
häufig verschleiert oder der Scha-denshergang
wird bewusst falsch darge-stellt.
Zur Ermittlung des Schadensher-gangs
sind alle (wesentlichen) Teile der
gebrochenen Flasche erforderlich. Mit-hilfe
der Glasscherben lässt sich der Scha-denshergang
mit extrem hoher Wahr-scheinlichkeit
rekonstruieren. In der Pra-xis
sind jedoch „Beklagte“, Haftpflicht-versicherer
und Gerichte häufig bereit,
den Ausführungen und Wünschen von
Geschädigten ohne qualifizierte Prüfung
zu entsprechen.
Bei der Bearbeitung von Schadensfällen
lauern Stolpersteine, die nicht immer zu
vermeiden sind, deshalb ist die sorgfäl-tige
Dokumentation von angemeldeten
Haftungsansprüchen empfehlenswert.
Ursache eindeutig?
Abbildung 1 zeigt eine rekonstru-ierte
Flasche, bei der auch ein Nicht-fachmann
den Bruchursprung leicht
erkennen kann. Man ist geneigt,
auch die Bruchursache mit absolu-ter
Sicherheit zu bestimmen. Sicher-lich
hat hier ein Schlag den Bruch der
Flasche ausgelöst. Aber gibt es noch
weitere Faktoren, die zum Bruch der
Flasche geführt haben? Welchen Ein-fluss
hatte der Innendruck, der im
Wesentlichen von den im Getränk
gelösten Gasen (vornehmlich CO2),
Abb. 4: Ausbruch Innenrand der Mündung
(passend zum Hebel des Kellnermessers)
Wenn ein Messerhersteller darauf
hinweist, dass seine Messer besonders
scharf sind und von ihnen bei unsach-gemäßer
Nutzung eine entsprechend
hohe Verletzungsgefahr ausgeht, wird
man kaum auf stumpfe Messer auswei-chen;
aber ein vergleichbares Ergebnis
lässt sich in der Regel auch nicht mit
einem stumpfen Messer erzielen. Zur
Abfüllung karbonisierter Getränke
sind verschlissene, mit hohem Alt-glasanteil
hergestellte Mehrwegglas-flaschen
jedoch nicht alternativ-los,
sodass hiermit (rein spekulativ!)
begründet werden könnte, warum
das potenzielle Verletzungsrisiko ver-schwiegen
wird. Nicht wiederbefüll-bare
vollständig gesleevte Glasflaschen
oder Aluminiumdosen wären aus rein
technischer Sicht betrachtenswerte
Alternativen; gegenüber gebräuchli-chen
Kunststoffflaschen sind Glas-flaschen
(und auch Getränkedosen)
nahezu gasdicht und inert.
Unvermeidbar?
Die Innendruckfestigkeit von Glasfla-schen
nimmt bei jedem Vorspannen
(Befüllen) und jedem Transport ab. Ver-suche
in den 1970er Jahren, die Sicher-heit
zu erhöhen, indem Flaschen unmit-telbar
vor dem Befüllen bewusst mit
einem Prüfdruck beaufschlagt werden,
um fehlerhafte Flaschen gezielt durch
Bersten auszusortieren, mussten schei-tern,
da durch den (sehr hohen) Innen-druck
die Flaschen nicht sichtbar, aber
trotzdem erheblich geschädigt werden,
sodass diese Prüfung kontraindiziert ist.
12 GETRÄNKEINDUSTRIE · 4/2022