
Abb. 6: Kellnermesser (schiefe Achse)
Abb. 7: Detail: sichtbare Achse des
Kellnermessers (ergibt Winkel zwischen
Hebel und Wendel)
eines Mangels, der zum Zeitpunkt des
Verkaufs vorlag (oder bereits angelegt
war) gebrochen, d.-h. wäre sie zum Zeit-punkt
des Verkaufs bei einem Prüfdruck,
der dem maximal zu erwartenden Druck
zzgl. Sicherheitszuschlag gebrochen oder
trägt eine andere Kraft( -einwirkung) für
das Zerbrechen die „Schuld“ und wenn
ja, welche? In gerichtlichen Beschlüs-sen
gestellte Beweisfragen dürfen natür-lich
nicht das Wort „Mangel“ enthal-ten,
denn damit würde eine unzuläs-sige
Rechtsfrage gestellt werden. Leider
formulieren Rechtsanwälte selten ihre
Anträge allgemein und ergebnisoffen,
sondern sie wollen z. B. beweisen, dass
(k)ein Mangel durch einen bestimmten
Fertigungsfehler vorlag. Ein Richter im
Zivilprozess muss sich an die Anträge der
streitenden Parteien halten und formu-liert
die Beweisbeschlüsse deshalb häu-fig
im Wortlaut der Anträge.
Abbildungen 2, 3, 4 und 9 zeigen eine
zerbrochene Schaumweinflasche.
Schaumwein wird grundsätzlich in
Neuglas abgefüllt.
20 Minuten nach dem Kauf der Flasche
bei einem Lebensmitteldiscounter und
einer 2 km langen Autofahrt an einem
warmen Sommertag (Wetteraufzeich-nung
t = >26°C) hat der Käufer versucht,
die Flasche mithilfe eines Kellnermessers
zu öffnen. Nach Aussage des Käufers sei
die Flasche beim Versuch sie behutsam
ohne besondere Krafteinwirkung zu
öffnen, praktisch von alleine „spontan
explodiert“, sodass nur ein Fehler im Glas
der Flasche für das Bersten und die damit
zusammenhängenden Verletzungen ver-antwortlich
sein könne.
Das Kellnermesser (Werbegeschenk)
weist eine deutliche Winkelabweichung
zwischen der Drehachse des Hebels und
der der Wendel auf (Abb. 6 und 7). Der
Wendeldraht ist (im Verhältnis zu Kell-nermessern,
die üblicherweise professi-onell
verwendet werden) sehr dick und
weist eine geringere Steigung auf (Abb.
8), was dazu führt, dass die vom Korken
ausgehende Kraft auf die Flaschenin-nenwand
durch die Verwendung dieses
Kellnermessers deutlich ansteigt und
der Korken noch fester in die Flaschen-mündung
gepresst wird.
Ein Ausbruch an der Innenseite der Mün-dung
(Abb. 4) und Kratzer (Abb. 3 und 5)
deuten darauf hin, dass beim Versuch
den Korken herauszuhebeln, nur ein Teil
des Kellnermessers Kontakt mit der Fla-schenmündung
hatte und die Kraftein-wirkung
erheblich gewesen sein muss.
Der Zeitraum zwischen Abfüllung
der Flasche und dem Schadensereig-nis
betrug 38 Tage. In dieser Zeit stand
die Flasche aufrecht und der Korken
konnte weitgehend austrocknen.
Gemäß der Beschreibung des Geschä-digten,
den Wetterdaten und den Auf-zeichnungen
des Abfüllers muss der
Innendruck zum Zeitpunkt des Scha-densereignisses
mindestens pÜ = 6,0
bar betragen haben.
Ein Kellnermesser ist grundsätzlich
ungeeignet, eine Schaumweinflasche
zu öffnen, die Konstruktion und der
Zustand des verwendeten Kellner-messers
waren fehlerhaft. Durch den
dicken eng gewickelten Draht der
Wendel des Korkenziehers war der
Innendruck der Flasche im Bereich des
Korkens sehr hoch. Der Korken war
trocken und der durch das Getränk
erzeugte Innendruck der Flasche
war ebenfalls hoch. Der Käufer hatte
beim Öffnen seine Hand nicht z. B.
durch ein Handtuch vor Schnittver-letzungen
geschützt und bei seinen
wenig erfolgreichen Anstrengungen
den Korken aus der Flasche zu entfer-nen,
hat er mit seiner Hand vermut-lich
den Flaschenhals erwärmt und
die Flasche dabei geschüttelt. Mög-licherweise
wäre die Flasche nicht
gebrochen, wenn ein oder mehrere
Faktoren anders gewesen wären. Als
Auslöser für den Bruch muss letztend-lich
der Versuch gesehen werden, den
Korken mit dem Kellnermesser her-auszuhebeln.
Wäre ihm die Gefahr
bewusst gewesen, hätte er vermutlich
ein geeignetes Werkzeug benutzt, den
Öffnungsversuch abgebrochen bevor
die Flasche gebrochen ist, die Flasche
früher gekauft und über Nacht lie-gend
im Kühlschrank temperiert oder
zumindest seine Hand vor Schnittver-letzungen
geschützt?
Ohne die Scherben der Mündung wäre
die Schadensursache nicht feststellbar
gewesen.
Fazit
Schadenshergänge sind in der Regel
rekonstruierbar; aber dafür sind meis-tens
alle Scherben erforderlich. Die
Hemmschwelle Unwahrheiten zu
behaupten, ist bei Geschädigten häufig
gering. Geschädigten ist häufig nicht
Abb. 8: Maße der Wendel des Kellner-messers
14 GETRÄNKEINDUSTRIE · 4/2022