
Viertens: Im ersten Motiv der neuen
Kampagne lautet die Headline „Auf
1000 Jahre Geschichte und Geschichten.“
Das ruft die Erinnerung an die
„Geschichten aus dem Paulaner Garten“
hervor, die über sehr viele Jahre bis
zum Sommer 2014 im TV zu sehen waren
und anschließend bis heute in abgewandelter
Form – z. B. „Geschichte
eines Paulaner Biers“– verwendet werden.
Geschichten aus dem Weihenstephaner
Garten, warum nicht?
Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan
braut Bier von hervorragender
Qualität. Zahlreiche Auszeichnungen
belegen dies. Da wird das Bier mit
der Kampagne „Klingt gut.“ weit unter
Wert vermarktet.
Dortmunder Kronen
Brauerei: Kronen Privatbrauerei,
Dortmund
Agentur: Ogilvy, Frankfurt a.M.
Bewertung:
In Westfalen besitzt die Radeberger
Gruppe mehrere traditionsreiche Brauereien,
so z. B. die Kronen Privatbrauerei
Dortmund. Die Biere der Brauerei
werden unter der Bezeichnung
„Dortmunder Kronen“ vertrieben.
Seit Ende April wirbt eine neue Printkampagne
für das Sortiment der Marke.
In früheren Jahren lag der Schwerpunkt
der werblichen Aussage auf der
Betonung der Marke „Kronen“. Ein gutes
Beispiel hierfür ist die Anzeige aus
dem Jahr 1990 mit der Headline „Kronen
schmeckt.“ Die aktuelle Kampagne
ist eher eine Liebeserklärung an die
Stadt Dortmund, geschickt verknüpft
mit dem Konsum des Biers. Das Motto
des werblichen Auftritts lautet: „Mehr
Dortmund is‘ nich.“ Diese Aussage ist
in den Anzeigen kaum zu finden, wird
sie doch mit sehr kleinen Buchstaben
am linken unteren Rand versteckt. Ein
Kampagnenmotto der Art zu platzieren,
ist schon recht ungewöhnlich.
Die Brauerei sieht die Stadt Dortmund
nahezu verliebt: „Die Stadt mit legendären
Eigenheiten, lebenswerten Ecken
und liebenswürdigen Menschen. Wo
der Zungenschlag direkt und ehrlich,
… herzlich und bodenständig, … frech
und charmant … ist.“ Wo in Deutschland
wird eine Stadt vergleichbar gelobt?
Die einzelnen Anzeigenmotive
beschreiben die Stadt, teils mit ironisch
frivolem Unterton:
„Dortmund ist: Quickies in der Kneipe.“
Männer stoßen mit einer Frau mit
Biergläsern an.
„Dortmund ist: Beziehungen ganz
ohne Fremdgehen.“ Ein Mann in der
Kneipe schaut verliebt sein volles Glas
Dortmunder Kronen an.
„Dortmund ist: Stehplätze aus Prinzip.“
Männer verfolgen freudig erregt offensichtlich
ein Fußballspiel im Monitor
über der Theke.
„Dortmund ist: Väter, die auch Gefühle
haben, z. B Durst.“ Drei Männer wandern
mit einem Kronen-Bollerwagen
durch den Park. Dies war ein Motiv zur
Verlosung von 111 Bollerwagen.
Auch in Details drückt sich die Liebe
der Brauerei zu ihrer Stadt aus. So wird
der Hinweis in den Anzeigen „Dortmund
ist:“ versehen mit einer Skyline
mit den markantesten Wahrzeichen
der Stadt. Eine derart liebenswürdig
dargestellte Stadt müsste eigentlich
Menschen, die in anderen Städten
Deutschlands wohnen, zu Scharen
nach Dortmund locken. In der Realität
dürfte das keine Auswirkung haben.
Eine Prognose der Entwicklung
der Bevölkerungszahlen bis 2030 sieht
eine Konstanz bei ca. 600.000 Einwohnern
1990:
Das Bier im
Mittelpunkt
2022:
Dortmund im
Mittelpunkt
vor. Allerdings könnte der Krieg
in der Ukraine die Zahlen nach oben
treiben. Eine positive Darstellung der
Stadt in einer Werbekampagne dürfte
in der realen politischen Lage wohl
keine Rolle spielen.
Astra Heiliger Rasen
Brauerei: Astra St. Pauli, Hamburg
Agentur: Philipp und Keuntje/PUK,
Hamburg
Bewertung:
Astra hat einen sehr guten Braumeister,
dem immer wieder die ungewöhnlichsten
Bierideen einfallen. Jüngst wurde
hier über Astra mit Granatapfelgeschmack
berichtet (Siehe BI Heft 05/22).
Nun hat Merlin Monagan, so heißt der
gute Mann, wieder ein Bier entwickelt,
das er „ Heiliger Rasen“ nennt. Um dieses
Bier zu verstehen, muss man eine
enge Verbundenheit der Brauerei mit
dem FC St. Pauli kennen. Dieser Fußballclub
hatte seine Fans jüngst enttäuscht,
war doch der Aufstieg von der
2. in die 1. Bundesliga nicht geglückt.
Trotz allem, die Fans halten zum FC St.
Pauli, bei Siegen ebenso wie bei Niederlagen.
Das gilt auch für die Brauerei
Astra.
Um die Fans zu trösten, hat Merlin
Monagan echten Rasen aus dem Millerntor
Stadion geschnitten. 80 kg frisches
Stadiongrün wurden auf 1.000 l
eingebraut und so zu köstlicher, flüssiger
FC St. Pauli-Liebe fusioniert. Auf
eine derartige Idee muss man erst ein-
BRAUINDUSTRIE · 7/2022 25