Was ist eigentlich ... ?
80% Abschlagszahlung bei streitigen
Nachträgen – geht das eigentlich?
Daniela Buschek: Nur allzu gerne streichen
die Architekten den von uns angesetzten Nachtragspreis
nach unten. Bin ich dann wehrlos?
Darf ich die Leistung verweigern, bis der Preis
klar ist? Und was ist eigentlich der „richtige“
Nachtragspreis?
Wolfgang Reinders: Das „Ringen“ um den
richtigen Nachtragspreis gehört zu den unangenehmen
und schwierigen Dingen am Bau.
Die Regelungen im BGB und in der VOB/B
sind formal zwar noch unterschiedlich, werden
bei der nächsten VOB/B-Reform aber
weitgehend angeglichen. Außerdem setzt
die Rechtsprechung immer mehr BGB-Nachtragsregelungen
auch für die VOB/B um.
In erster Linie sollen sich die Parteien auf
einen Preis einigen. Gelingt das nicht, „bestimmt“
sich der VOB-Preis auf der Basis des
ursprünglichen Angebots. Es gilt dort der
Grundsatz der sogenannten „Preisfortschreibung“.
Sie soll das Preisniveau des ursprünglichen
Angebots auch für die Nachtragsposition
sicherstellen.
Das ist rechnerisch einfach, wenn man ähnliche,
also „passende“ Vergleichspositionen
im Ursprungs-LV zur Verfügung hat. In diesem
Sinne kann man eine normale Tapete
sicherlich relativ leicht nachvollziehbar in
eine Metall-Effekt-Tapete „umrechnen“. Wie
soll man aber ernsthaft eine Tapezierposition
zweifelsfrei in eine Wischtechnik „umkalkulieren“
können? Der Fortschreibungspreis
funktioniert in vielen Fällen also nicht
wirklich, vor allem dann nicht, wenn keine
Vergleichspositionen im Ursprungsangebot
vorhanden sind, die man sinnvoll fortschreiben
könnte. Deshalb waren die Streitereien
ja so kompliziert und heftig! Die Rechtsprechung
hat aber jetzt eingegriffen und diese
Situation der Regelung im BGB angepasst.
Buschek: Und wie ist das im BGB geregelt?
Reinders: Auch dort soll man sich zuallererst
einigen. Gelingt das nicht, orientiert
sich der Preis an den tatsächlichen Kosten
der Nachtragsleistung plus angemessener
Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten,
Wagnis und Gewinn. Das läuft praktisch auf
den ortsüblichen Preis hinaus.
Buschek: Diese Regelung ist doch für den
Handwerker viel besser, oder?
Reinders: Ja, viel, viel besser. Vor allem
hat der Bundesverband Farbe für alle Innungsbetriebe
eine umfangreiche Tabelle
zur üblichen Kalkulation aller gebräuchlichen
Leistungspositionen auf seiner Internetseite
www.farbe.de herausgegeben. Damit
kann man sich gegenüber dem Bauherrn
sehr gut positionieren.
Buschek: Und was mache ich, wenn der Auftraggeber
alle meine Kalkulationen zum Nachtragspreis,
sei es nun als Fortschreibungspreis
oder als Kostenkalkulation, torpediert und
nicht anerkennt?
Reinders: Auch diesen Streit hat das BGB
auf dem Bildschirm. Sie können dann 80 %
des von Ihnen angesetzten Nachtragspreises
als Abschlagsrechnung geltend machen.
Zahlt der Bauherr nicht, können Sie die Bauarbeiten
einstellen.
Buschek: Und wie ist das bei VOB-
Verträgen?
Reinders: Auch da hat die Rechtsprechung
mittlerweile eingegriffen. Auch hier gilt jetzt
die 80%-Regelung. (KG Berlin vom 2. November
2021 Az 27 U 120/21). Das KG Berlin
geht sogar so weit, dass die 80%-Regelung
nicht nur beim Streit über die Höhe des
Nachtragspreises gilt, sondern sogar schon,
wenn der Nachtrag „als solches“ als dem
Grunde nach streitig ist.
Buschek: Also insgesamt eine günstige Entwicklung?
Reinders: Kann man so sagen.
Buschek: Kann ich mich weigern, einen Nachtrag
auszuführen, bis über dessen grundsätzliche
Berechtigung und den Preis Einigkeit
herrscht?
Reinders: Definitiv nein, dafür haben Sie
jetzt ja den 80%igen Abschlag.
MLM Daniela Buschek,
Obermeisterin der Innung Cham
RA Wolfgang Reinders
7 2022 MALER UND LACKIERERMEISTER 25
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