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Zu geringe Arbeitsleistung – Lohnkürzung?
Fall
Ein Mitarbeiter in einem Malerbetrieb hatte Malerarbeiten an mehreren Wohnungen
auszuführen. Der Arbeitgeber hat eine Abmahnung geschrieben und diese damit begründet,
dass er eine „Minderleistung“ erbracht habe. Es wurde angegeben, dass der
Mitarbeiter eine zu geringe Arbeitsleistung im Verhältnis zu seinen Kollegen erbracht
hätte. Der Arbeitgeber hat von seinem Lohn einen Betrag in Höhe von 502 Euro wegen
„unbezahltem Urlaub“ abgezogen.
Der Arbeitgeber begründete seine Abmahnung, aber auch den Abzug von Lohn damit,
dass der Mitarbeiter während der beiden Wochen lediglich 45 % in der ersten und
nur 32 % in der zweiten Woche an Leistungen eines durchschnittlichen Malergesellen
erbracht habe. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass ihm wegen der Schlechtleistung
Schadensersatzansprüche gegen den Malergesellen zustanden und er mit seinen
Schadensersatzansprüchen eine sog. Aufrechnung durchführen
könnte. Bei der Aufrechnung werden die Ansprüche des Malerbetriebes
gegen den Mitarbeiter finanziell geltend gemacht
und mit Ansprüchen des Mitarbeiters verrechnet.
Der Mitarbeiter hat sich das nicht gefallen lassen und sowohl
die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte
gefordert als auch die Zahlung der 502 Euro.
Entscheidung des Gerichts
Der Mitarbeiter hat in allen drei Instanzen
(Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und
Bundesarbeitsgericht) mit seinem Anspruch
auf Entfernen der Abmahnung aus der Personalakte
sowie der Zahlung von 502 Euro
an Lohn Erfolg gehabt. Das Gericht begründet
seine Auffassung wie folgt:
Der Arbeitgeber hatte angegeben, dass der
Mitarbeiter im Leistungslohn gearbeitet hätte.
Der Arbeitgeber hat nicht beweisen können,
dass es eine vertragliche Vereinbarung
zum Leistungslohn gab.
Im Rahmentarifvertrag Maler und Lackierer
ist in § 32 der Leistungslohn geregelt. Für
den Leistungslohn bedarf es also einer vertraglichen
Vereinbarung, die nicht gegeben
war. Darüber hinaus ist auch beim Leistungslohn
der tarifliche Stundenlohn garantiert.
Dieser kann also nicht gekürzt werden.
Der Arbeitgeber hat angegeben, dass der
Mitarbeiter unbezahlten Urlaub genommen
hätte. Auch dies konnte der Arbeitgeber
nicht nachweisen. Das Argument des Arbeitgebers,
dass der Mitarbeiter lediglich 45
bzw. 32 % der durchschnittlichen Leistung
eines üblichen Malergesellen erbracht habe,
hat das Gericht ebenfalls nicht überzeugt.
Das Gericht hat festgestellt, dass ein Arbeitnehmer
seine persönliche Leistungsfähigkeit
ausschöpfen muss. Er schuldet keinen Erfolg.
Der Arbeitnehmer schuldet auch keine
Normalleistung. Es kommt lediglich auf
den individuellen dynamischen Maßstab an.
Sofern der Arbeitnehmer seine individuelle
Leistungsfähigkeit ausschöpft, verletzt er
nicht seine Vertragspflichten.
Das Gericht ist dann auch darauf eingegangen,
dass sich gerade bei Arbeiten, die
mit körperlicher Belastung im Zusammenhang
stehen, immer individuelle Leistungsschwankungen
ergeben. Nicht jeder Mitarbeiter
kann den ganzen Tag eine Leistung
von 100 % erbringen. Darüber hinaus gibt
es auch Einflussfaktoren auf die Leistungsfähigkeit
des Mitarbeiters, die nichts mit ihm
zu tun haben, so z. B. eine mangelhafte Koordination
von Gewerken, bei denen es zu
Verzögerungen und einer verminderten Arbeitsleistung
kommt.
Andreas Becker
Rechts- und Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht
Praxis-Tipp
Eine Normalleistung gibt es nicht. Welche Leistung in einem Betrieb benötigt wird, ist
betriebsindividuell. So kann der nicht so schnell arbeitende Mitarbeiter, wenn er z. B.
Baustellen organisieren, Probleme lösen und selbstständig arbeiten kann, für einen Betrieb
wertvoller sein als ein Mitarbeiter, der sehr hohe Leistung erbringt, aber ständige
Anleitung benötigt. Eine Steuerung der für den Betrieb wertvollen Leistungserbringung
erfolgt über die Vergütung.
Ein Arbeitgeber ist jedoch nicht schutzlos. Wenn Mitarbeiter wiederholt schlechte Arbeit
erbringen oder viele Fehler machen, die zu Nacharbeiten führen, hat der Arbeitgeber
einen Schadensersatzanspruch. Er hat die Möglichkeit, mit einem solchen Schadensersatzanspruch
gegen den Lohnanspruch des Mitarbeiters aufzurechnen (BAG-Beschluss
18. Juli 2007, 5 AZN 610/07).
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