HUMULUS LUPULUS … und andere bittere Wahrheiten
Hopfen in Zeiten des Krieges
Seitdem Russland Ende Februar die
Ukraine angegriffen hat, werden wir
überflutet von Kriegsberichterstattung,
Emotionen und Mitgefühl für die Betroffenen.
Dabei fällt es schwer, einen
nüchternen Blick auf die wirtschaftlichen
Auswirkungen zu werfen. Gleichwohl
ist es hilfreich, sich aus neutraler
Perspektive vor Augen zu führen, welche
Folgen dieser Konflikt für Handel
und Produktion impliziert, um gegebenenfalls
rechtzeitig und richtig reagieren
zu können. In diesem Fall geht es
um den Hopfenmarkt.
Russland ist nach den USA, Japan und
China der viertgrößte Abnehmer von
deutschem Hopfen. Bis 2020 wurden
jährlich rund 2100 bis 2400 Tonnen des
grünen Goldes aus Deutschland nach
Russland exportiert. Die Ukraine importiert
aus Deutschland rund 300
bis 400 Tonnen, Belarus etwa 50 Tonnen
jährlich. Insgesamt bringen es diese
drei Länder gemeinsam auf acht bis
zehn Prozent des deutschen Gesamtexports
– oder anders ausgedrückt:
auf sechs Prozent der gesamten deutschen
Ernte. Damit sind diese drei Länder
ziemlich bedeutend für die deutsche
Hopfenproduktion.
Gemessen am Warenwert ist Russland
sogar an zweiter Stelle, weil viele
russische Abnehmer Spotmarkt-Käufer
sind. Großkonzerne wie AB Inbev
und Carlsberg mit einem Anteil von
rund 65 Prozent am nationalen Bierausstoß
kaufen zwar vorwiegend über
Vorverträge. Jedoch stammen 35 Prozent
des russischen Bierausstoßes von
freien Brauereien, die überwiegend
am Spotmarkt einkaufen. Da die Freimarktpreise
in den vergangenen Jahren
relativ hoch waren, ist der Export
nach Warenwert entsprechend höher
und rangiert hinter den USA an zweiter
Stelle.
Eine Eigenversorgung mit Hopfen fällt
in Russland und der Ukraine kaum ins
Gewicht. Laut Datenerhebung aus dem
BarthHaas-Bericht produziert Russland
rund 550 Tonnen Hopfen auf einer
Fläche von rund 370 Hektar jährlich
(Durchschnittsertrag von 1,5 t/
ha). Und dies vermutlich gänzlich im
Anbaugebiet Tschuwaschien, das östlich
von Moskau in der Nähe von Kasan
liegt. In den vergangenen Jahren
gab es Initiativen, den russischen
Hopfenanbau um 500 bis 1000 Hektar
in der Nähe der russisch-ukrainischen
Grenze zu erweitern. Eine russische
Delegation hatte sich dafür in der
Hallertau informiert und sogar Landtechnik
eingekauft. Ob diese Flächenerweiterung
umgesetzt wird, bleibt dahingestellt.
Die ukrainische Hopfenproduktion
konzentriert sich auf Anbaugebiete
nahe der Städte Lviv im Westen
und Schytomyr 120 Kilometer westlich
von Kiew. Sie liegt flächenmäßig
mit rund 470 Hektar sogar vor der russischen.
Allerdings werden nur rund
470 Tonnen Hopfen jährlich produziert
(Durchschnittsertrag 1 t/ha). Was auf
das Hauptproblem der russischen wie
der ukrainischen Hopfenproduktion
hindeutet: Die mangelhafte Infrastruktur,
von der Hopfen- und Erntetechnik
über die Verarbeitung bis hin zu Analysen,
Qualitätssicherung und begleitender
Beratung erschweren Vermarktung,
Lieferkette und Verwendung. Damit
wird auch klar, dass selbst auf mittelfristige
Sicht weder Russland noch
die Ukraine ihren Hopfenbedarf aus
der Eigenproduktion werden decken
können. Importe werden für die Bierproduktion
weiterhin notwendig sein.
Die Prognosen für die Bierproduktion
in den Krisengebieten sehen indes
düster aus. Während der russisch-ukrainische
Bierabsatz bekannt dafür ist,
in Krisenzeiten eher zu steigen, gehen
Branchenkenner angesichts des Krieges
davon aus, dass der Absatz diesmal
sinken wird. So haben die Ukraine,
Russland und Belarus einen Anteil
von rund sechs Prozent am Weltbierausstoß.
Zwar wird es vermutlich keinen
hundertprozentigen Ausfall geben,
doch kann man aufgrund des Krieges
mit einem Rückgang vergleichbar dem
der Pandemie-Krise rechnen. Dieser lag
2020 bei rund fünf Prozent.
Somit steht fest, dass es zu Absatzrückgängen
kommen wird – auch beim
Hopfen. Wie hoch diese sein werden,
hängt gewiss von der Diplomatie aller
an diesem Konflikt Beteiligten ab. Für
die deutschen Hopfenpflanzer ist diese
Krise ein weiterer Anstoß – zusätzlich
zu den Überkapazitäten in manchen
Sortensegmenten und Preissteigerungen
bezüglich der Produktionskosten
–, klug gewählte vorübergehende
Flächenstilllegungen vorzunehmen.
Ähnlich wie die Pandemie so zeigt uns
der Russland-Ukraine-Konflikt einmal
mehr, wie stark wir global miteinander
verbunden sind und dass bei kriegerischen
Auseinandersetzungen alle verlieren.
Möge bei Erscheinen dieses Artikels
wieder Frieden sein, damit der Austausch,
materiell und ideell, zwischen
den Ländern wieder in Fluss kommt.
Mit freundlicher Unterstützung von
BarthHaas – www.barthhaas.com
BRAUINDUSTRIE · 5/2022 23
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