
„Der qualifizierte und erfahrene
SHK-Handwerker wird fehlen“
12 SANITÄR+HEIZUNGSTECHNIK 8/2021 KOMMENTAR
Angeregt durch die derzeitige angespannte
Situation auf dem Arbeits- und
Ausbildungsmarkt in der SHK-Branche
und das Editorial in der SHT 7 schreibt
unser Leser Paul-Gerhard Wagner:
Nach einem Besuch mit dem Wirtschaftsministerium
Rheinland-Pfalz im Ministerium
für Außenwirtschaft in Tirol (Bozen)
und Mailand war auch ein Gedankenaustausch
über Ausbildung und Facharbeiterentwicklung
möglich. Die
Schwierigkeiten in der Entwicklung des
Berufstandes sind länderübergreifend
ähnlich. Hinzu kommt, dass die Handarbeit
weiter abnimmt bzw. der Wille zum
körperlichen Arbeiten. Die Naturgesetze
haben sich aber nicht geändert. Es bleibt
der Mensch, der glaubt, sie zu beherrschen
und das Tempo der Entwicklung
und Anwendung bestimmen zu können.
Dies geschieht mit einer unglaublichen
Beschleunigung. Das angestrebte Ziel
ist, efzienter zu arbeiten, Wachstum zu
beschleunigen und Wohlstand zu mehren.
Im Zeitalter der Digitalisierung läuft
Kommunikation und Produktion mit surfen,
scrollen, touchen und werten im
pausenlosen Life-Stream und bezeichnet
wird dies als passgenaues Schaffen. Quo
vadis.
Wo steht dabei der Mensch?
Im Heizungsbau wurden in den 1960er
Jahren offene Schwerkraftanlagen installiert.
Wohnhäuser mit einer Leistung
von ca. 38.000 kcal und Rohrverteilungen,
beginnend mit Stahlrohr 82/89 d im
Zweifamilienhaus waren weit verbreitet.
Die Heizung hatte auch im Altbaubestand
Einzug gehalten und verbreitete sich. Im
Laufe der Zeit kamen die Umwälzpumpe
und die Heizungsregelungen dazu. Der
Brennstoff Öl verbreitete sich. Aus offenen
Anlagen wurden geschlossene Systeme
und die Pumpenwarmwasserheizung
galt als Standardsystem. Die Brennstoffe
Kohle, Koks und Holz wurden durch Öl,
Gas und Pellets ersetzt, wobei im Zuge
der erneuerbaren Energien Sonnenenergie,
Geothermie und Windenergie zusätzlich
als Energielieferanten genutzt
werden. Strom und Wasserstoff gelten
u. a. als Energien der Zukunft. Die
gesamte Heizungs- und Klimatechnik
hat sich für Wohn-, Geschäfts-,
Schul- und Verwaltungsgebäude bei
den technischen und handwerklichen
Anforderungen vielfältig verändert.
Die Anforderungen an den Anlagenmechaniker
in Theorie und Praxis
spiegeln sich nicht nur in den 14
Lernfeldern der Ausbildungsordnung
wieder. Wer hier glauben machen
will, die beruichen Qualikationen
sind im Schnelldurchgang zu erwerben,
verkennt den zur Gefährdung
geneigten Beruf. Der Handwerksbereich
Anlagenmechaniker SHK zählt
aufgrund der Entwicklung zu einem
für die Zukunft am dringendsten
benötigten Handwerksberufe, der
weitgehend konjunkturunabhängig
gewertet wird. Der Rückgang in diesem
Berufszweig erhöht die Nachfrage
einmal mehr. Um die Konkurrenz
durch den 3-D-Drucker braucht sich
der SHK-Handwerker keine Gedanken
zu machen. Die Nachfrage und
der Bedarf an Reparaturarbeiten und
Wartungen werden steigen.
Der vielseitig qualizierte und erfahrene
SHK-Handwerker wird zunehmend
fehlen. Zudem ist die Nachfrage
an Dienstleistungen im
Gebäudebereich größer geworden
und steigert sich noch. Dies setzt
zunehmend Weiterbildung in Theorie
und Praxis voraus. Die Digitalisierung
beschleunigt den schnelleren Zugang
auf die Abwicklungen wie Planung,
Bestellung, Beschaffung und Ausführung.
Dennoch erfordert sie analoges
Wissen mit Erfahrung, das im handwerklichen
Bereich unerlässlich ist.
Die Wirtschaft weltweit bendet sich
im Wachstumsrausch. Durch Werbung
mit Marketing wird unser Denken
und Handeln rund um die Uhr
medial von Werbeblöcken begleitet
und demnach auch bestimmt. Ob
das Wachstum und der Wohlstand
immer weiter gehen und sich mehren?
Wann wird die Zeit der herkömmlichen
Entlohnung für Arbeit
zu Ende gehen? Nach dem Motto:
„Wir leben nicht, um zu arbeiten,
um uns für ausgemachte, festgelegte
Tarif -, Preis- und Honorarabkommen
verwenden zu lassen“. Im Laufe
der letzten zwei Jahrhunderte erlebte
die Menschheit eine wirtschaftliche
Revolution mit dem Abbau verschiedener
Hierarchien. Heute erleben wir
die Macht- und Meinungsmanipulationen
durch die Medien weltweit
bzw. das Wachsen der Digitalisierung.
Die Eigner bzw. Lenker von u.
a. Google, Microsoft, Facebook und
Twitter gelten als Kapitalbeschleuniger
und Wachstumswächter. Auch
ein großer Krieg wie in der Ukraine ist
wieder möglich, über Auswirkungen
und Nebenwirkungen lehrt eigentlich
die Geschichte. Eine Erkenntnis
von Marx lautet, dass soziale Prozesse
„hinter dem Rücken“ ,damit
in Unkenntnis der Betroffenen, entschieden
werden. Wir erleben es in
diesen Zeiten. Der heutige Zugriff
auf die zur Verfügung gestellten
Informationen gewährleistet nicht
die Kenntnis von der tatsächlichen,
sozialen und wirtschaftlichen Situation.
Zu verlockend war und bleibt
die Wohlstandsentwicklung, dazu
immer mehr freie Zeit und bezahlte
Freistellungen. Der technisch-digitale
Fortschritt, die Automation und autonome
Entwicklung reduziert mehr
Arbeitsplätze als neue geschaffen
werden können. Aber ohne Arbeit
keine Beschäftigung, Bildung, Ausbildung
und damit Verfall des sozialen
Lebens. Glaubensrichtungen
vermögen das Schlaraffenland auch
nicht zu schaffen und ein Leben ohne
Arbeit ist nicht vorstellbar.
Es lebe das ehrbare Handwerk.
Paul-Gerhard Wagner