
diskutiert bzw. umgesetzt. Welche
differenzierten Maßnahmen
sind aus Ihrer Sicht notwendig,
um vor allem die Wirtschaft zu
entlasten?
Reinsberg: Eine staatliche Intervention
bei der Entwicklung des
Kraftstoffpreises in Deutschland
ist unerlässlich. Insbesondere
kleine und mittelständische
Unternehmen sind von der Explosion
der Weltmarktpreise
für Energie sehr belastet. Eine
Entlastung bei der Abgabe der
Mineralölsteuer, CO2-Abgaben
sowie die Mehrwertsteuer muss
und kann der Ausweg sein für
Unternehmen und letztlich auch
für Verbraucherinnen und Verbraucher.
GFGH: Das ohnehin schon reale
Problem des Lkw-Fahrermangels
in der gesamten Logistikbranche
hat sich durch den Ukraine-Krieg
noch mehr verschärft. Wie schätzen
Sie die aktuelle Lage ein und
wie sollte hier weiter vorgegangen
werden?
Reinsberg: Das Problem des Lkw-
Fahrermangels ist seit Jahren
bekannt und wird durch den Ukraine
Krieg immer bedeutender
werden. Lkw-Fahrer aus der Ukraine,
Russland und Polen halten
sich in ihrer Heimat auf und
kehren in absehbarer Zeit nicht
nach Deutschland zurück. Das
führt dazu, dass noch weniger
Personal zur Verfügung steht,
Güter zu bewegen. Es ist also
höchste Zeit, das Thema Fachkräftemangel
bei Berufskraftfahrern
mit konkreten Maßnahmen
anzugehen. Schnellstmöglich
müssen alle Akteure an einem
Plan arbeiten, der auch verbindlich
umgesetzt werden muss.
Auch sehe ich die Politik in der
Pflicht, sich des Themas umgehend
anzunehmen.
GFGH: Herr Reinsberg, wir bedanken
uns für dieses Gespräch.
Solidarität und Hilfe für die Ukraine
Die Verbände der deutschen Getränkewirtschaft
blicken bestürzt auf den
russischen Angriff auf die Ukraine und
drücken den Menschen in der Ukraine
ihre Solidarität aus. Es mache sprachlos
und fassungslos, welch unermessliches
Leid unseren Nachbarn in Europa
widerfährt. Der völkerrechtswidrige Krieg
Russlands gegen die Ukraine richte sich
immer gezielter und skrupelloser gegen
die Zivilbevölkerung und deren Versorgung,
so die Verbände.
Die Gedanken seien in dieser schweren
Zeit natürlich bei den ukrainischen Kolleginnen
und Kollegen aus der Getränkeindustrie,
die in Lebensgefahr und unter
schwierigsten Bedingungen versuchten,
die Produktion aufrechtzuerhalten und
die Bevölkerung zu versorgen. Die Verbände
unterstützen die gegen Russland
verhängten Sanktionen der Bundesregierung
und der Europäischen Union in
vollem Umfang, heißt es weiter.
Die humanitäre Krise in der Ukraine
verschärfe sich mit jedem neuen Tag.
Vielerorts fehle es vor allem an Trinkwasser.
Zahlreiche Unternehmen der
deutschen Getränkewirtschaft seien
bereits frühzeitig mit Beginn des Krieges
aktiv geworden und hätten Hilfen mobilisiert
– seien es Geld- oder Sachspenden,
Trinkwasser oder Abfüllbehältnisse,
Logistik oder Know-how. Darüber hinaus
engagierten sich viele Unternehmen und
deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
bei der direkten Unterstützung und
Aufnahme geflüchteter ukrainischer
Familien in Deutschland. Die Verbände
begrüßten dieses Engagement ausdrücklich
und leisteten, wo immer sie könnten,
Unterstützung.
Leider stehe zu befürchten, dass die
Energieversorgung und damit die
Fähigkeit zur Produktion weiter Teile
der gesamten Ernährungs- und Getränkeindustrie
auch hierzulande massiv
gefährdet oder gestört werde. Die Getränkeproduktion
in Deutschland sei in
hohem Maße von Gas abhängig. Mit Blick
auf systemrelevante Strukturen müssten
daher geeignete Vorkehrungen getroffen
werden, um einen Versorgungsengpass
mit Energie ausschließen zu können.
Die Unternehmen der Ernährungswirtschaft
brauchten dringend Planungssicherheit
mit Blick auf die Energieverfügbarkeit
– und sie brauchten verlässliche
Aussagen für Krisenfall-Szenarien mit
drohenden Versorgungsengpässen
und eine realisierbare Perspektive, wie
drastische Kostensteigerungen aufgefangen
werden können. Hier sei der Bund
in der zentralen Verantwortung, die
Energieversorger in der Notfallplanung
zur Sicherung der Grundversorgung zu
unterstützen.
Trotz teils immenser Preissteigerungen
bei Strom und Gas, Rohstoffen, Logistik
und Verpackungen sowie einer zunehmenden
Verknappung vieler Güter sei
die Versorgung der Bevölkerung derzeit
gesichert, betonen die Verbände der
deutschen Getränkewirtschaft. Um diese
Versorgungssicherheit weiterhin gewährleisten
zu können, müsse die Aufrechterhaltung
der Lebensmittellieferketten
mit höherer Priorität auf die politische
Agenda.
Gerade das mittelständisch geprägte
Transport- und Logistikgewerbe sowie
der Getränkefachgroßhandel stünden
nach der Covid-Krise abermals vor
gewaltigen Herausforderungen: Die Explosion
der Energie- und Kraftstoffpreise
verlange nach schnellen und wirksamen
Gegenmaßnahmen der Politik. Immer
mehr Unternehmen, die Deutschland
tagtäglich in der Produktion und der
Logistik mit ihren Flotten in der Fläche
versorgten, sähen sich durch die immens
gestiegenen Kosten gezwungen, Strecken
nur noch eingeschränkt zu bedienen
oder gar aufzugeben.
Die hohe Abgabenlast bei den Kraftstoffpreisen
gebe politischen Handlungsspielraum,
den es gelte, im Rahmen des Möglichen
zu nutzen, um die Auswirkungen
für die Unternehmen abzufedern und
deren Fortbestand zu sichern. Ebenso sei
sehr zu begrüßen, wenn das Bundeskartellamt
mit gebotener Priorität und Intensität
dringend die Funktionsfähigkeit
der Mechanismen zur Preisbildung prüfe.
Überdies sei es mehr denn je Aufgabe der
Politik, gemeinsam mit der Wirtschaft
kurzfristige und langfristige Strategien zu
entwickeln, um die Funktionsfähigkeit
der Lieferketten und damit die Versorgungssicherheit
in Deutschland
abzusichern und zu stärken, heißt
es abschließend.
GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 04 | 2022 61