
BIERTRINKEN MIT STIL
Unser Ethno-Food
ist Bier
Es gibt nationale Zuschreibungen,
die erstaunlich stabil
sind. Germany? Beer. Beer
Gardens. And Bavarian Hefeweizen.
Das bekommt man ziemlich verlässlich
von Amerikanern zu hören,
wenn man diese auf Deutschland
anspricht. Dass es heute mehr
als dreimal so viele Brauereien in
den USA gibt wie in Deutschland?
Das erstaunt auch die meisten
Amerikaner, wenn man ihnen das
entgegenhält – und Deutsche noch
viel mehr.
In Europa hat sich ja das Bild gehalten,
dass amerikanische Biere leicht
und geschmacksarm wären. Was so
natürlich überhaupt nicht stimmt.
Der Eindruck geht auf oberflächliche
touristische Erfahrungen
zurück – und auf ein Missverständnis.
Um 1980 herum gab es in den
USA nur sehr wenige und meist
sehr große Brauereien. Helle Lagerbiere
aus Großkonzernen dominierten
den Markt. Weil gleichzeitig
die Fitness- und Schlankheitswelle
die Mode bestimmten, hatten die
Brauer Sorgen, dass ihre Biere als
„Dickmacher“ gelten könnten und
setzten konsequent auf „low carb“,
also wenig Kohlenhydrate und damit
wenig Restzucker.
Die besten Erfolge hatte Miller mit
seinem „Lite“, Branchenprimus Anheuser
Busch (heute AB Inbev) ergänzte
sein Portfolio um ein „Bud
Light“. Diese Biere waren aber gar
nicht „leicht“ im Sinne unseres
Verständnisses, das niedrigen
Alkoholgehalt im Hinterkopf hat.
Light bedeutete: weniger Kohlenhydrate
und weniger Kalorien –
und das bei Alkoholgehalten, die
einem deutschen Pils um nichts
nachstehen würden.
Belgien, das steht für
Biervielfalt – die belgischen
Brauer haben
sich mit der gemeinschaftlichen
Werbung
für „Belgium Beer
Paradise“ schon vor
Jahren für Biervielfalt
engagiert und diese weltweit
positioniert – wobei
man international vor allem
an Starkbiere oder Sauerbiere
denkt, während in Belgien selbst
helle Lagerbiere die Statistik anführen
(mit Jupiler als der stärksten
Marke).
England steht für die Pubkultur
und ihre Ales – aber auch das ist
mehr historisch zu sehen: Lagerbierverkäufe
betragen ein Vielfaches
der Verkäufe von Ale. Das
bei uns kaum bekannte Carling
Lager führt die Liste an. Auch in
Irland, bei dem alle Welt an Stout
denkt, wird mehr Heineken und
Bud verkauft. Deutschland ist wie
erwähnt, ein Pils-Land. Aber auch
da lohnt ein Blick in regionale Statistiken,
die etwa für Bayern hohe
Anteile von Hellem und Weizenbier
ausweisen.
Wie der Bayerische Brauerbund
kürzlich vorgerechnet hat, sind
es gerade diese landestypischen
Spezialitäten, die den bayerischen
Brauereien auch in den schweren
Zeiten der Corona-Pandemie
halbwegs das Geschäft gerettet
haben: Die Brauwirtschaft
ist nämlich auf Auslandsmärkten
erfolgreicher
als im Inland. Das gilt für
die deutsche Brauwirtschaft
insgesamt, es gilt aber in
besonderem Maße für die
bayerische Brauwirtschaft.
Nach der Wiedervereinigung war
der Anteil Bayerns am deutschen
Gesamtbierabsatz zunächst kontinuierlich
gesunken. Betrug er 1991
noch gut ein Viertel, so sank er bis
zum Jahr 2000 auf noch 20 Prozent.
Seitdem steigt er kontinuierlich
wieder an und liegt 2021 mit 27,3
Prozent sogar oberhalb des Niveaus
der frühen 90er Jahre. Erklärbar
wird das durch den langjährigen
überdurchschnittlichen Exporterfolg
Bayerns: 18 Prozent des aus
Deutschland exportierten Bieres
stammten 1991 aus Bayern. Im Jahr
2021 waren es fast 34,3 Prozent.
Dies bedeutet: Mehr als jedes
dritte aus Deutschland exportierte
Bier stammt aus einem bayerischen
Sudkessel. Was natürlich
erfreulich ist für die bayerischen
Brauer, die mit ihrem Bier ein
regionaltypisches Ethno Food in die
weite Welt verkaufen – da wird bei
jedem Schluck weißblaue Lebensart
mitverkauft. Es müsste aber auch
für andere Länder mehr gehen:
Das in Deutschland hoch emotional
besetzte Thema Reinheitsgebot
verfängt im Ausland eben weniger
als regionale Charakteristiken
oder zumindest deren Zuschreibungen.
66 GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 04 | 2022